19.10.2010 - von BRR
Der Vorsitzende des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung, Alexander Gunkel, gab auf der Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund am 24.06.2010 in Frankfurt folgende Prognose für 2010 zu den Ausgaben und Einnahmen der Rentenversicherung: „Die Ausgaben dürften um zwei Milliarden Euro über den Einnahmen von knapp 240 Milliarden Euro liegen.“
Die Stuttgarter Zeitung schrieb am 25.06.2010 daraufhin auf der ersten Seite: „Zum ersten Mal seit fünf Jahren übersteigen die Ausgaben für die Renten wieder die Einnahmen.“
Diese Berichterstattung ist definitiv falsch. Die Ausgaben der Rentenversicherung sind nicht die Ausgaben für die Renten. Die Ausgaben für die Renten sind die Ausgaben der Rentenversicherung abzüglich der versicherungsfremden Leistungen!
Jeder, der die vier Grundrechnungsarten beherrscht, kann deshalb nachvollziehen: Wenn die Ausgaben um zwei Milliarden höher sind als die Einnahmen von 240 Milliarden Euro, betragen die Ausgaben 242 Milliarden Euro. Die versicherungsfremden Leistungen in Höhe von 29,1 Prozent machen dann 70,4 Milliarden Euro aus, und die Ausgaben für die Renten betragen demnach 171,6 Milliarden Euro.
Folglich liegen die Ausgaben für die Renten mit 171,6 Milliarden Euro deutlich [b]unter den Einnahmen von 240 Milliarden Euro und nicht darüber! Der Zeitungsbericht ist somit definitiv falsch und irreführend!
Das Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V. hat die Stuttgarter Zeitung noch am gleichen Tag auf diese Falschmeldung hingewiesen und eine Gegendarstellung mit den richtigen Zahlen verlangt, was diese jedoch ablehnte.
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Am 29.07.2010 hat BRR eine Beschwerde beim Deutschen Presserat über die Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung eingebracht, die am 02.09.2010 mit einer abenteuerlichen Begründung abgelehnt wurde: „Wir sind der Meinung, dass die von Ihnen kritisierte Formulierung der Unterzeile nicht im technisch-organisatorischen Sinne zu verstehen ist, sondern im umgangssprachlichen Sinne.“
Diese Begründung kann nur so verstanden werden, dass die mediale Berichterstattung zum Rentenrecht sich nicht an Fakten und Argumenten orientiert, sondern umgangssprachlich, sozusagen als Stammtischmeinung.
Wir haben uns nun mit einem offenen Widerspruch an den Deutschen Presserat u.a. gewandt.
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Offener Widerspruch
19.10.2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen die Ablehnung unserer Beschwerde legen wir Widerspruch ein. In Ihrer Ablehnungsbegründung schreiben Sie wörtlich: Wir sind der Ansicht, dass die von Ihnen kritisierte Formulierung der Unterzeile nicht im technisch-organisatorischen Sinne zu verstehen ist, sondern im
umgangssprachlichen Sinne.
Diese Begründung ist hanebüchen und bedeutet nichts anderes, als dass die mediale Berichterstattung zum Rentenrecht nicht richtigerweise, also technisch-organisatorisch, zu verstehen ist, sondern fälschlicherweise, eben umgangssprachlich, sozusagen als
Stammtischmeinung.
Diese Auffassung des Deutschen Presserates macht deutlich, wie ganz offensichtlich Selbstkontrollorgane funktionieren. Und es macht auch deutlich wie sich die Medien an der negativen Darstellung der Rentensituation in der gesellschaftlichen Diskussion beteiligen. Durch
weglassen von Informationen wird die seit Jahrzehnten überproportionale Beteiligung der Rentenversicherten (versicherungsfremde Leistungen) an den Lasten der Allgemeinheit der Steuerzahler verschwiegen.
Diese Berichterstattung zum Rentenrecht entspricht nicht dem grundgesetzlich verbrieften Anspruch der Pressefreiheit. Wenn die Informationsfreiheit durch das Monopol der Medien, durch Interpretation und Ignoranz anderer Fakten und Argumente (der Betroffenen Rentenversicherten) zum Rentenrecht, de facto unterbunden werden kann, steht der Rechtsstaat (hier: GG Art. 5) in keinem Verhältnis zu einem gerechten Staat. Georg Orwell sagte: Wenn die Lüge immer und immer wieder wiederholt und mit den Aufzeichnungen übereinstimmen, wird die Lüge zur Wahrheit.
Wir fordern deshalb die nachrichtlich informierten Personen und Institutionen in diesem Schreiben auf, unseren Widerspruch zu unterstützen, damit die Rentenlüge nicht zur Wahrheit wird. Den Deutschen Presserat und die Stuttgarter Zeitung fordern wir auf, dafür zur sorgen, dass der von uns beanstandete Zeitungsbericht in angemessener Form richtig gestellt wird und somit Wahrheit
und Fairness, in der Berichterstattung zum Rentenrecht, wieder eine Chance erhalten.
Offener Widerspruch nachrichtlich an:
Stuttgarter Zeitung Dr. Richard Rebmann per Post
Stuttgarter Zeitung Chefredakteur Joachim Dorfs per Post
Stuttgarter Zeitung Michael Maurer m.maurer@stz.zgs.de
Deutscher Journalistenverband djv@djv.de
CDU-Fraktion im Bundestag fraktion@cducsu.de
SPD-Fraktion im Bundestag frakmail@spdfraktion.de
FDP-Fraktion im Bundestag pressestelle@fdp-bundestag.de
Die Grünen-Fraktion im Bundestag info@gruene-bundestag.de
Die Linke-Fraktion im Bundestag fraktion@linksfraktion.de
Partnerorganisationen Aktion Demokratische Gemeinschaft e.V. Betriebsrentner e.V. Büro gegen Altersdiskriminierung Hanne Schweitzer
Bitte unterstützen Sie uns dahingehend, dass Sie dem offenen Widerspruch zu einer großen Öffentlichkeit verhelfen in dem Sie ihn weiterverteilen. Zeigen Sie Ihren Unmut zur Berichterstattung im Rentenrecht der Stuttgarter Zeitung und zum Verhalten des Deutschen Presserats dadurch, dass Sie Ihre Meinung zu diesem Vorgang sowohl der Stuttgarter Zeitung als auch dem Deutschen Presserat kundtun.
Anschriften:
Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft mbH
Dr. Richard Rebmann
Geschäftsführer
Plieninger Straße 150
70567 Stuttgart
Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft mbH
Joachim Dorfs
Chefredakteur
Plieninger Straße 150
70567 Stuttgart
Deutscher Presserat
Fritschestr. 27/28
10585 Berlin
info@presserat.de
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Eicher
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Unser ursprünglicher Widerspruch hatte folgenden Wortlaut:
Widerspruch
Zur Ablehnung unserer Beschwerde vom 29.07.2010 durch Ihr Schreiben vom 02.09.2010 über die falsche Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung vom 25.06.2010
Seite 1: Rentenversicherung schreibt rote Zahlen Zum ersten Mal seit fünf Jahren übersteigen die Ausgaben für die Renten wieder die Einnahmen.
25.06.2010 Bericht Stuttgarter Zeitung „Rentenversicherung schreibt rote Zahlen
25.06.2010 Gegendarstellungsverlange BRR
02.07.2010 Ablehnung einer Gegendarstellung durch die Stuttgarter Zeitung
29.07.2010 BRR-Beschwerde beim Deutschen Presserat
02.09.2010 Ablehnung BRR-Beschwerde durch den Deutschen Presserat
In der Stuttgarter Zeitung wurde in dem Artikel „Rentenversicherung schreibt rote Zahlen“ wahrheitswidrig behauptet,„Zum ersten Mal seit fünf Jahren übersteigen die Ausgaben für die Renten wieder die Einnahmen.“
Richtig ist, dass die Ausgaben der Rentenversicherung die Einnahmen überschreiten, nicht aber die Ausgaben für die Renten!
Mit der Gleichsetzung der „Ausgaben der Rentenversicherung“ mit den „Ausgaben für die
Renten“ werden die versicherungsfremden Leistungen in der Rentenversicherung fälschlicherweise wie Rentenausgaben dargestellt. Der zuletzt von der Rentenversicherung in
2003 herausgegebene Wert für die versicherungsfremden Leistungen beträgt 29,1 Prozent an den Ausgaben der Rentenversicherung. Diese sind jedoch Aufwendungen der
Allgemeinheit der Steuerzahler welche per Gesetz über die Rentenversicherung abgewickelt werden müssen und nichts mit
den Rentenausgaben zu tun haben.
Der Zeitungsbeitrag bezieht sich auf die Aussage des Vorsitzenden des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Herrn Alexander Gunkel, der am 24.06.2010 in Frankfurt auf der Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund, folgende Prognose
für 2010 abgab: „Die Ausgaben dürften um etwa 2 Mrd. Euro über den Einnahmen von knapp 240 Mrd. Euro liegen.“ Damit ergeben sich für die Ausgaben der Rentenversicherung 242 Mrd. Euro. Da die Ausgaben für die Renten um 29,1 Prozent (70,4 Mrd. €) unter den Ausgaben der Rentenversicherung liegen betragen diese nur 171,6 Mrd. Euro, sie übersteigen damit die Einnahmen der Rentenversicherung nicht, sondern liegen deutlich darunter.
Dieser Zeitungsbericht verstößt in mehreren Punkten gegen den Pressekodex des Presserates:
1. Präambel
Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei Ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein.
Dieser Grundsatz wurde mit der falschen Berichterstattung auf das Schwerste missachtet. Gerade in der heutigen Diskussion zum Rentenrecht werden mit diesem Bericht 20 Mio. Rentnerinnen und Rentner als „Kostenfaktor“ dargestellt, für Kosten welche sie nicht beeinflussen können und auch nicht zu verantworten haben. Dadurch
entstand für sie in der Gesellschaft ein großer Imageschaden.
2. Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde.
Die Achtung vor der Wahrheit, …sind oberstes Gebot der Presse
Dieser Zeitungsartikel entspricht nicht der Wahrheit, da er die „Ausgaben der Rentenversicherung“ und die „Ausgaben für die Renten“ gleichsetzt und die versicherungsfremden Leistungen, zum Nachteil von 20 Mio. Rentenrinnen und Rentnern, unterschlägt.
3. Ziffer 2 – Sorgfalt
Zur Veröffentlichung bestimmter Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Diesem Anspruch wird der Zeitungsbericht in keinem Punkt gerecht. Die Sorgfaltspflicht wurde auf das Gröblichste verletzt. Die versicherungsfremden Leistungen in den Sozialsystemen sind allgemein bekannt und zugänglich. Sie zu unterschlagen legt sogar den Verdacht der Absicht nahe und grenzt schon an Meinungsmache. Der Bericht wurde in keinster Weise auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft und es wurde auch nicht
wahrheitsgetreu berichtet. Der Bericht verfälscht nicht nur die Fakten, sondern beeinflusst auch die öffentliche Wahrnehmung der Rentenversicherung und somit auch die der
Rentnerinnen und Rentner negativ.
4. Ziffer 3 – Richtigstellung
Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.
Diesem Anspruch wurde die Stuttgarter Zeitung in keinster Weise gerecht. Obwohl wir umgehend an die Zeitung herangetreten waren, und eine Gegendarstellung verlangt
haben, wurde die falsche Berichterstattung nicht korrigiert. Es wurde sogar absichtlich auf Zeit gespielt, um eine zeitnahe Richtigstellung zu vermeiden. Auf die telefonische Zusage des stellvertretenden Chefredakteurs, „sie hören von unserer Rechtsabteilung,“ warten wir bis heute. Gleichzeitig wurden Anmahnungen von uns nicht beantwortet.
5. Ziffer 12 – Diskriminierung
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Wenn eine Gruppe von Personen (hier die Rentenrinnen und Rentner) von anderen durch gruppenspezifisch negativ bewertete Merkmale (hier: mehr Ausgaben für die
Renten als Einnahmen) charakterisiert werden, werden sie dadurch in sozialer Hinsicht diskriminiert. Genau dies fand durch den von uns beanstandeten Zeitungsartikel statt.
Gerade in der heutigen Gesellschaftsdiskussion zum Rentenrecht, mit Fragen nach der Generationengerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit der Rentenschutzgarantie, sehen wir in der Aufmachung dieses Artikels eine nicht ausgewogene Berichterstattung der Zeitung, zum Nachteil von 20 Mio. Rentnerinnen und Rentner. Dies schadet dem Ansehen der gesamten Presse.
Da die Berichterstattung in besagtem Artikel so offensichtlich falsch und der Wille zur Richtigstellung trotz Aufforderung nicht vorhanden ist beantragen wir beim Deutschen Presserat von seinen Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch zu machen und eine öffentliche Rüge auszusprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Eicher
Stellvertretender Vorsitzender Bündnis für Rentenbeitragszahler und Rentner e.V.
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