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Zustände im Pflegeheim: Würde Herr Laschet das seiner Mutter zumuten ?

Foto: H.S.

20.04.2020 - von Frau G.

Viele alte Menschen, die jetzt verlassen in den Heimen sind, hören auf, - wie meine Mutter, zu essen und zu trinken, geben sich auf und sterben. Darüber gibt es keine Statistik. (Oder sie werden als Corona-Tote verbucht.)
Kommentar einer MS-Kranken im Rollstuhl: "Diese Isolation ist schlimmer als die ganze Krankheit"!

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Eilantrag auf Besuchsrecht in einem Pflegeheim an das Land NRW

Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede: "Keine soziale Isolation der Menschen in den Heimen. Für Risikogruppen und insbesondere für Pflegeheime sowie Senioren- und Behinderteneinrichtungen sind besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass diese Maßnahmen nicht zu einer "sozialen Isolation der Menschen in den Heimen" führen, sagte Merkel. Daher sollen hier jeweils spezifische Konzepte erarbeitet werden."

Meine Mutter - schwerhörig / dh. ich kann nicht mit ihr telefonieren - hat nach vier Wochen Isolation und Trennung von ihrer einzigen Tochter allen Lebenswillen verloren.
Sie lebt in einem privaten Pflegeheim/Betreutes Wohnen und Verweigert seit einer Woche Essen und Trinken, will nicht mehr laufen, reagiert schwerst traumatisiert wenn sich ihr Pflegekräfte nähern, verwahrlost und kann nur unter Einwirkung von Gewalt durch zwei Pfleger zur nötigsten Körperpflege gezwungen werden. Sie schreit dann ununterbrochen (altes krankes Herz), auch durch die Schmerzen der gewaltsamen Berührung.

Sie ist traumatisiert und der rapide Abbau in den vier Wochen gravierend und schockiert: Da lief sie noch am Rollator, aß in einer betreuten Gruppe, war trotz ihres sehr hohen Alters zeitweise glücklich, besonders durch Spazierfahrten am Rhein durch private Betreuung (auch diese sollen nun verboten sein???); Betreuungskräfte im Heim fallen aus, sodass auch diese geringe Abwechslung in den Wochen der Isolation allein auf ihrem Zimmer derzeit nicht möglich ist.
(Ein anderer Einwohner ist aus diesem Grunde vor kurzem verstorben - es geht unter Corona-Bedingungen anscheinend auch ohne das Virus!)

Würde Herr Laschek das seiner Mutter zumuten???

Auch das Einwachsen eines Zehennagels und das Risiko einer schmerzhaften Entzündung wird anscheinend billigend in Kauf genommen, wie auch die Bestimmung, dass die Zahnärztin keinen Hausbesuch machen darf trotz dringend notwendiger Untersuchung und ggfs. Behandlung.

Beides muss erlaubt sein! (Denn diese Bedingungen sind schlimmer als im Gefängnis, da bekommt man wenigstens noch einen Arzt! Dabei hat sie nichts verbrochen!)

Kann man das einem Menschen, der ohnehin schon durch den Krieg traumatisiert ist, eigentlich zumuten?

Das einzige was ihr die letzte wahrscheinlich kurze evtl. sehr kurze Lebenszeit ein wenig erleichtern würde wäre mein Besuch - wie auch das Zulassen des Zahnarztes und der Fußpflege.

Da nun mittlerweile immer mehr Stimmen an die Öffentlichkeit dringen, wie wichtig eine schnellstmögliche Ausnahmeregelung in solchen Fällen ist, meine Mutter ist ja einer, möchte ich von Ihnen wissen:

Wie muss ich vorgehen? Einstweilige Verfügung? Eilantrag? Gesundheitsamt?
Von der Pflegedienstleitung wurde ich an Sie verwiesen.

Vom Regierungsbeauftragten Pflege wurde mir in einem Schreiben mitgeteilt, dass es solche Ausnahmeregelungen durchaus geben kann. Andreas Westerfellhaus selber sagte ja:"Es ist ein generelles Kontaktverbot, aber kein generelles, das sozusagen alle Ausnahmen wegnehmen würde... "

Sachsen¹ lässt bereits einen Angehörigen zu. Andere Bundesländer außer Bayern ebenso.

Diese strikte "Isolationsfolter" (laut Prof. Dr. Michael Isfort, Deutsches Institut für Angewandte Pflegeforschung eV) ist brutal ist unmenschlich und spottet jeglicher Würde, die der Pflegebeauftragte der Regierung benennt.

Ich spreche im Namen vieler verzweifelter Angehöriger die wie ich, kaum noch schlafen können vor lauter Sorge um ihre Mütter oder Väter.

Für eine zeitnahe Bearbeitung bin ich dankbar, es ist nicht mehr so viel Zeit
Mit freundlichen Grüßen
Frau G.
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¹ Nachdem der Antrag verschickt war, stellte sich heraus:
Sachsen erst ab Anfang Mai und bei Sterbenden 1-5 Personen, ansonsten Heim-Besuch 1 Familienmitglied.
² Laut Auskunft einer Pflegerin soll das Verweigern von Zahnarzt, Physiotherapeut und Fußpflege unterlassene Hilfeleistung sein!
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Eine Altenpflegerin schreibt an Frau G.:
Arbeite ja im Heim und keiner darf rein ...keine Angehörigen, keine Physio und der gleichen... unsere Bewohner sind fast alle schwer traumatisiert, das schlimme ist wir laufen auf Notbesetzung weil unsere Polnischen Kollegen nicht mehr einreisen dürfen...wir haben nicht ausreichend Zeit für unsere Bewohner..
Das ist für ins ganz schlimm sehen zu müssen wie sie leiden ...
Und niemand hilft... grausam ,ganz grausam... ich versteh dich nur zu gut...kann dir aber keinen Rat geben weil hier das Seuchenschutzgesetz greift.

Eine ehrenamtliche Sterbegleiterin schreibt an Frau G.:
Nach nunmehr fünfzehn Jahren in der Ehrenamtlichen Begleitung Sterbender tätig, kann ich Dein Geschildertes nur bestätigen - und ich halte dieses Vorgehen schlichtweg für würde- und respektlos. Dies wird nachhaltige Folgen und Konsequenzen mit sich tragen im zukünftigen Umgang mit alten und hilfsbedürftigen Menschen.
Gleiches gilt im Umgang mit Sterbenden (Ehrenamtliche Hospizarbeit - Voluntary hospice work), die zurzeit nicht begleitet werden dürfen von Ehrenamtlichen SterbebegleiterInnen.
All das zusammen genommen kommt schlichtweg einem beispielloses Verbrechen gleich, das zudem die bisherigen Anstrengungen all derer, die sich für einen menschlicheren Umgang in diesen Bereichen eingesetzt hatten, zunichte werden lässt und mit Füßen tritt.
Für mich persönlich wird dieses Vorgehen weitreichende Folgen haben in meiner praktischen Ehrenamtlichen Arbeit und ebenso inhaltlich in meinen zukünftigen Vorträgen.

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Zuvor hatte der Pflegebevollmächtigte des Bundes Frau G. antworten lassen:
Sehr geehrte Frau G.,
ich danke Ihnen für Ihre heutige E-Mail an den Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, die ich im Auftrag von Staatssekretär Westerfellhaus beantworte.

Ich kann mir vorstellen, dass die von Ihnen geschilderte Situation für Ihre Mutter und Sie extrem belastend ist und kann Ihren Wunsch nach einem Kontakt mit Ihrer Mutter sehr gut nachvollziehen. Eine Kontaktsperre ist ein erheblicher Eingriff in Freiheits- und Persönlichkeitsrechte, erst recht für Heimbewohner, die auf Kontakte mit ihren Angehörigen angewiesen sind.

Der Pflegebevollmächtigte ist der Auffassung, dass bei Besuchseinschränkungen in Heimen die Menschenwürde gewahrt werden muss. Pauschale Besuchsverbote führen zu unerträglichen Notsituationen für Bewohner und Angehörige. Nach Auffassung von Herrn Westerfellhaus hängt die Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen Besuchern der Zutritt gestattet wird, von der lokalen Situation ab und sollte von der Einrichtung - vorbehaltlich der landesrechtlichen Regelungen und in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt - getroffen werden. Das Robert Koch-Institut hat Empfehlungen für Pflegeeinrichtungen im Umgang mit Corona veröffentlicht, die Folgendes zu externen Besuchen in Heimen enthalten:

Generell sollten soziale Kontakte möglichst über Telekommunikation anstatt über persönliche Besuche erfolgen. Besucher mit Erkältungssymptomen sowie Kontaktpersonen von COVID-19-Infizierten sollen der Einrichtung fern bleiben. Für den Fall, dass Besuche zugelassen werden:
jeder Besuch muss registriert werden (Name des Besuchers, Datum des Besuchs, besuchter Heimbewohner)
- die Besuche sollen auf ein Minimum beschränkt und zeitlich begrenzt werden
- die Besucher müssen in den erforderlichen Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Diese beinhalten das Einhalten von mindestens 1,5 - 2 m Abstand zum Bewohner, das Tragen von Schutzkittel und Mund-Nasen-Schutz, die Händedesinfektion beim Verlassen des Bewohnerzimmers."
(Link

Die Zuständigkeit für Infektionsschutzmaßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz obliegt jedoch den Gesundheitsbehörden der Bundesländer. Das generelle Besuchsverbot für Pflegeheime in Bayern beruht daher auf einer landesrechtlichen Verordnung, die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassen worden ist und bis 19. April 2020 gilt. Gestern kündigte Ministerpräsident Söder auf einer Pressekonferenz an, dass das generelle Besuchsverbot in bayerischen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufrechterhalten, jedoch stärker als bislang eine Sterbebegleitung ermöglicht werden soll.

Aufgrund der landesrechtlichen Lage in Bayern bleiben Betroffenen ansonsten als Rechtsmittel nur der gerichtliche Weg über eine einstweilige Verfügung oder - sofern eine anderweitige Unterbringung des Pflegebedürftigen möglich ist - eine Kündigung des Heimvertrags. Ich hoffe, dass Sie zumindest telefonisch oder per Videoanruf einen Kontakt mit Ihrer Mutter herstellen können und wünsche Ihnen und Ihrer Mutter viel Kraft und alles Gute in dieser schwierigen Zeit.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
xx Geschäftsstelle des Bevollmächtigten der Bundesregierung für Pflege

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Auszug aus dem Corona-Schutzgesetz NRW gültig ab 20.4.20
[b]Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen[/b]
(1) Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, vollstationäre Einrichtungen der Pflege und Wohnformen der Eingliederungshilfe, besondere Wohnformen im Sinne des SGB XII sowie ähnliche Einrichtungen haben die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren und Patienten, Bewohner und Personal zu schützen.(2) In den Einrichtungen nach Absatz 1 sind Besuche untersagt, die nicht der medizinischen oder pflegerischen Versorgung dienen oder aus Rechtsgründen (insbesondere zwingende Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer rechtlichen Betreuung) erforderlich sind. Die Einrichtungsleitung soll Ausnahmen unter Schutzmaßnahmen und nach Hygieneunterweisung zulassen, wenn es medizinisch oder ethisch-sozial geboten ist (z.B. auf Geburts- und Kinderstationen sowie bei Palliativpatienten).
(2a) Bewohner und Patienten der in Absatz 1 genannten Einrichtungen dürfen diese
Einrichtungen jederzeit unter der Beachtung der Regelungen dieser Verordnung verlassen.
Dabei dürfen sie jedoch nur von anderen Bewohnern, Patienten oder Beschäftigten der
Einrichtung begleitet werden und nur mit diesen Personen zielgerichtet oder intensiv Kontakt haben. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein zielgerichteter oder intensiver Kontakt außerhalb der Einrichtung auch mit anderen Personen bestand, müssen die Bewohner und Patienten anschließend für einen Zeitraum von 14 Tagen den nahen Kontakt mit anderen Bewohnern und Patienten in der Einrichtung unterlassen. Die Einrichtungsleitung trifft die entsprechenden Vorkehrungen und kann dabei auch einseitig von bestehenden Verträgen zwischen der Einrichtung und den betroffenen Bewohnern und Patienten abweichen.
Art. 104
Abs. 2 des Grundgesetzes bleibt unberührt. Die Einrichtungsleitung kann Ausnahmen von den
Beschränkungen dieses Absatzes zulassen, wenn dies medizinisch oder ethisch-sozial geboten
ist.
(3) Kantinen, Cafeterien oder andere der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen für
Bewohner, Patienten und Besucher müssen geschlossen werden. Ausnahmsweise darf die
Einrichtungsleitung den Betrieb von Kantinen und Cafeterien für die Beschäftigten der
Einrichtung und von Speisesälen für die notwendige Versorgung von Patienten und
Bewohnern aufrechterhalten; dabei sind die erforderlichen Vorkehrungen zur Hygiene, zur
Steuerung des Zutritts, zur Vermeidung von Warteschlangen und zur Gewährleistung eines
Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen zu treffen.
(4) Sämtliche öffentlichen Veranstaltungen wie beispielsweise Vorträge, Lesungen,
Informationsveranstaltungen sind untersagt.

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"Leider ist unsere Gesellschaft so geworden, dass eher Menschenleben gefordert werden, als Maßnahmen zu überdenken."
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Antwort der Landesregierung unter: Link

Link: Solidarität mit gesundheitlich besonders gefährdeten älteren Menschen
Quelle: Mail an die Redaktion