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Über 700 Bewerbungen geschrieben

13.02.2006 - von Wolfgang Mey

Ich bin 56 Jahre, zur Zeit ohne Arbeit und zwangsweise in HartzIV. Obendrein bin ich unverschuldet seit 42 Jahren behindert. Mit anderen Worten: ich gehöre selbst zu einer benachteiligten Gruppe von Menschen, die nichts dafür können.

Seit meiner Jugend bin ich durch einen Unfall behindert und habe trotzdem meinen Lebensweg sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Leben bisher eigenständig gemeistert.

Ich bin in Thüringen groß geworden und habe in der beruflichen Entwicklung in den fast 24 Jahren dort für meine Berufsausbildung, 2 Studienplätze und 6 Arbeitsstellen 10 Bewerbungen getätigt.

Nach der wirtschaftlichen Veränderung hat sich das für mich grundlegend verändert. Kurz nach der Einheit war ich arbeitslos. Kurz entschlossen habe ich mich den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechend ("neu") qualifiziert und an der IHK einen weiteren Berufsabschluss erworben. Aber für die Zeit seit der Einheit - rund 16 Jahren - habe ich für die 3 Weiterbildungen und 9 überwiegend befristeten Beschäftigungen 700 Bewerbungen getätigt. Hierfür gibt es gerade einmal 265 Eingangsbestätigungen, das allein zeigt schon wie die Personaler mit ernst gemeinten Bewerbungen eines qualifizierten älteren Schwerbehinderten umgehen. Es gibt 71 Vorstellungsgespräche und 635 Absagen. Die Differenz zu den getätigten Bewerbungen sind aktuelle offene Bewerbungen (ca. 25) und sogenannter Schwund, das sind eben Bewerbungen die wohl unbeantwortet in den Papierkorb gelandet sind.

Meine Erfahrungen und Kenntnisse beim Umgang mit benachteiligten Menschen resultieren aus der persönlichen Betroffenheit und eigenen beruflichen Entwicklung als Behinderter seit mehr als 40 Jahren sowie aus den praktischen Erfahrungen der beruflichen Arbeit mit behinderten Menschen gerade in den letzten 10 Jahren. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass ich mit meinen Lebens- und Berufserfahrungen eine Bereicherung für jedes Team sein müsste. Aber trotz Fördermöglichkeiten und Unterstützungsmaßnahmen ist in unserer Gesellschaft niemand an meiner Mitarbeit interessiert.
Daraus folgt das Fazit: in meinem geschilderten Fall sind Alter und Behinderung die Faktoren, die wahrscheinlich zur Diskriminierung und auch zum Verstoß gegen Artikel 3 GG verleiten. 1997 hatte ich mich an Wolfgang Schäuble gewandt, in der Annahme, dass er für meine Probleme Verständnis hat - er ist auch unverschuldet behindert -. Auf die Antwort oder wenigstens eine Eingangsbestätigung warte ich heute noch. Im Sommer letzten Jahres hatte ich mich an eine Vielzahl der Politiker gewandt, auch an Gerhard Schröder und an Franz Müntefering. Kein einziger hat den Mut gehabt, darauf zu reagieren. Daher sind die Politiker ein rotes Tuch für mich.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Mey
Telefon: 030.9814961
Fax/AB: 030.31956493
Mobil: 0171.6029634

Quelle: Mail an die Redaktion

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